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Spuren...

Überall hinterlassen wir Spuren: Im Sand durch einen Fußabdruck, im Gedächtnis der Menschen durch unsere Austrahlung, auf der Haut des Gegenübers durch Berührung. Wir können uns gegenseitig riechen – oder auch nicht.
Unser Augenausdruck mag sich einbrennen in das Herz einer uns zugetanen Person.
Doch wie verhält es sich mit unserer Stimme?

Sind wir uns dessen gewahr, dass auch sie Spuren hinterlässt? Klangspuren, melodiöse Schallschwingungen, mittels derer wir grundsätzlich unsere Persönlichkeit ausdrücken dürfen und Raum einnehmen in den Weiten unseres Daseins.

Grundsätzlich
denn uns allen ist bekannt, dass dieses Stimmglück meist nicht lange anhält.

Die sogenannte Bühne des Lebens betreten die meisten mittels wundervoller, gesunder Selbstbehauptung: dem ersten Schrei. Vom Scheitel bis zur Sohle von Klang und Überlebenswillen erfüllt wir selbst, uns dabei glücklich und erleichtert willkommen heißend alle Anwesenden. Doch dieses, von der Natur vorgesehene Stimmglück gerät in die Fänge einer beurteilungsfreudigen Gesellschaft.
Nörgelei an unserem klanglichen Ausdruck und somit an unserem Ego macht sich breit. Plötzlich werden wir gemessen an dem Wie, Wann und Warum unserer stimmlichen Entfaltung.
Unfair, das Ganze. Ist doch eines jeden Menschen Stimme dessen persönlichste Spur. Anders als der individuelle Finger- und Fußabdruck ist sie geprägt von allem, was unser Leben ausmacht – Körper, Geist und Seele. In diesem holistischen Sinn vereint sie unsere Persönlichkeit und wird doch getrennt; durch eine Umwelt, die meint, sich ihrer bemächtigen und sie kritisieren zu dürfen. Diese Umstände lassen die Stimme brüchig werden. Sie verlagert ihre Position, verliert ihre Mitte sowie ihren Fokus. Sie verändert sich in ihrem einstigen Charakter – und wir uns mit ihr:

Selbstbehauptung wandelt sich in Verzagen,

freudige Weite in verkrampfte Enge und damit in Angst,

die Tragfähigkeit unserer Stimme verkümmert,

die Enttäuschung darüber drückt sich aus in Frustration und Ablehnung.

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Ein elementarer Teil aus unserem Ich wurde somit meist bereits in der Kindheit abgetrennt, aus der Kommunikation mit unseren übrigen Ich-Anteilen gefiltert oder zumindest nach den Wünschen unserer Umgebung geformt. Damit entspricht dieser stimmliche Ich-Anteil nicht länger dessen Ursprünglichkeit und Be-Stimmung.
Die dadurch entstehende Wesensveränderung geschieht schleichend, kaum merklich, verkümmert still.

 

Müssen oder wollen wir uns nun behaupten, fallen wir in Extreme:
Je nach Charakter brüllen wir ungesund aus der Kehle heraus, denn unserer standhaften Selbstbehauptung und aktiver Körperenergie wurden wir beraubt. Deshalb fühlen wir uns kaum in der Lage, den angemessenen Ton für Diskussionen zu finden, da wir ihn nicht länger innerhalb unserer Körpermitte, dem Solarplexus-Bereich, navigieren können. Im Resultat verhindert hierbei entstehende Aggression angemessenen stimmlichen Ausdruck.
Oder aber uns verschlägt es die Stimme, wir müssen uns räuspern, spüren einen Kloß im Hals, die Ohren rauschen, unser Kopf wird rot und heiß, Stimme, Beine und Arme zittern, Schweißperlen zeigen sich auf der Stirn.  
Und so zucken wir mit den ansonsten nach vorne hängenden Schultern, führen mittels dieser Bewegung den Atem nach oben und geben uns stummer Resignation hin.

So weit so schlecht …

 

Dumm nur, dass nicht ausschließlich unsere vokalen Ursprünge kümmern, sondern das parasympathische Nervengefüge gleich mit dazu. Hier vor allem der Nervus vagus als zehnter Hirnnerv. Er gilt als Antagonist zum erregungsfreundlichen Sympathikus und vagabundiert ausgerechnet – im stimmlichen Kontext – durch all die Zonen unseres Köpers, die vor Weite, Selbstbehauptung, Zuversicht und freien Klängen liebend gerne strotzen würden: durch Teilbereiche der Ohren, den Kehlkopf mit Rachen und Gaumensegel, die Stimmlippen, Herz, Lunge wie Bronchien, das Zwerchfell und das darunter befindliche Sonnengeflecht.


Unser Leben, welches erhalten wird durch fließende Energien, durch ausgleichende Kräfteverhältnisse und die Wahrung der Homöostase, es kann auf Dauer die Waagschale seiner eigenen Existenz nicht austarieren. Zu merken im Ungleichgewicht zwischen Körper, Geist und/oder Seele (allostatische Last).
Dieser Zustand ist bedrückend. Als einen Versuch des Ausgleichs beißen wir die Zähne zusammen, pressen die Lippen aufeinander, verkrampfen den Rücken, verhärten die Pobacken, verdüstern unsere Mimik und geben im Ergebnis ein Bild der Gegenwehr und Ausladung ab:

Die Haut fahl, die Schultern hängend, der Gang hatschend in misstrauischer Angsthaltung – freudige, kraftklingende Energie der ersten Stunde – wohin bist Du entschwunden?
Ein solches Geschwächtsein nährt Übergriffigkeit bis Ohnmacht – die gravierenden Folgen fehlender Selbstbehauptung. Ein Teufelskreis, aus dem wir uns lediglich dann befreien können, wenn wir zu unseren Ursprüngen und den Automatismen unseres Körpers, und dabei vor allem des vegetativen Nervensystems (VNS), zurückfinden.​ 

Hier setzt die vagusonare Idee an.

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